Bei meiner letzten Infoveranstaltung zum Thema ‚Babys und Kleinkinder tragen‘ stellte mir eine Teilnehmerin eine einfache, aber spannende Frage: .‚Warum tragen denn einfach so wenige Eltern, obwohl es doch aber viele Vorteile bietet?´´
Wir diskutierten also ein wenig, ich dachte die letzten Tage noch weiter darüber nach und bin bei einer schlichten Erklärung gelandet:
Es ist nicht (mehr) normal. Natürlich wär es schon, aber normal nicht mehr. Also in unserem Kulturkreis. So verhält es sich ja mit so einigen Dingen rund um unsere Babys: (Langzeit-)Stillen, Familienbett und eben Tragen. In unserem Kulturkreis nicht mehr normal – im Sinne von Norm, Durchschnitt der Gesellschaft. Evolutionsbiologisch aber durchaus sinnvoll:
- Bindung: Für Babys ist es überlebenswichtig, eine Bindung zu einem Erwachsenen, in den meisten Fällen seinen Eltern, aufzubauen. Bedingt durch den „Steinzeit-Instinkt“, mit dem die Kleinen auf die Welt kommen, versuchen sie ganz automatisch, Erwachsene an sich zu binden, die für ihr Überleben sorgen. Heute drohen zwar nicht mehr Kälte und Säbelzahntiger, dennoch sind Babys zur Geburt komplett abhängig. Die Bindung wird durch das Hormon Oxytocin beeinflusst, welches bei Körperkontakt gebildet wird.
- Frühgeburt: Auch nach vollen 40 Wochen im Bauch kommen Babys eigentlich noch zu früh. Das ist im Grunde ein Trick der Natur: Durch den aufrechten Gang hat sich das Becken verengt – und damit unsere Babys trotzdem noch durchkommen, kommen sie eben früher. Den „letzten“ Teil der Schwangerschaft, also die erste Zeit auf dieser Welt, verbringen sie daher gerne an uns.
- Haltung: Hier gibt es gleich zwei Aspekte: Die Haltung des Babys und die des Tragenden. Zur Geburt ist etwa die Hüfte der Kleinen noch nicht vollständig ausgereift und auch die Wirbelsäule noch nicht aufgerichtet. Beides wird bei geeigneter Tragen und Bindeweisen berücksichtigt – und die Hüfte etwa bei der Reifung unterstützt. Auch der Tragende profitiert: Bei den allermeisten Trageweisen werden die Babys vor dem Bauch oder auf dem Rücken getragen und der Tragende steht weiterhin aufrecht und nimmt keine Ausgleichshaltung ein, wie es beispielsweise passiert, wenn wir uns die Kinder „in die Hüfte klemmen“.
- Alltag: Der Alltag ist mit Baby in der Trage viel einfacher zu bewältigen: Die Hände sind frei, das Baby glücklich weil Körperkontakt, Bedürfnisse werden gleich erkannt und können sofort befriedigt werden, und kaputte Aufzüge interessieren wirklich keinen mehr!
Kurzes Zwischenfazit: Tragen ist toll! Aber hat es denn auch Nachteile? Ehrlich gesagt, mir fällt da nur einer ein: Stauraum. Gerade beim Einkaufen, da schleppt man dann schnell mal Kind und Beutel, das wird auf Dauer doch schwer. Aber ansonsten ist das Tragen eine wunderbare Chance, die Tasche auszumisten und auf das Nötigste zu reduzieren. Für die Einkäufe kann man dann wunderbar den Kinderwagen hernehmen, die fühlen sich darin schrecklich wohl.
Aber wie funktioniert das denn nun mit dem Tragen? Warum haben wir geklärt, aber ab wann? Und womit?
Babys dürfen ab der Geburt getragen werden. Voraussetzung ist hier eine geeignete Tragehilfe / Bindeweise (dazu gleich mehr) und ein fetter Tragender. Das ist deshalb wichtig, weil gerade die Mütter im (Früh-)Wochenbett auf sich und ihren Beckenboden achten und Überbelastung vermeiden sollten. Soviel zum Anfang. Das Ende der Tragezeit muss dann jeder für sich definieren, generell gilt aber: getragen werden kann und darf so lange, wie Kind und Tragender es möchten (und schaffen).
Letzte, aber durchaus nicht unerhebliche Frage: Wie, bzw. womit wird getragen? Bei so vielen Herstellern und Modellen blickt ja kaum noch jemand durch. Hier also der grobe Überblick:
* Tragetuch: elastisch oder gewebt, in verschiedenen Längen
* Tragehilfe: Mit Schnallen oder zum Binden, oder 50/50.
Auf Modelle gehe ich jetzt absichtlich nicht näher ein, da es – sorry! – keines gibt, das die ungeschlagene Nummer 1 ist, der Star unter dem Tragehilfe, der All-Time-Favorite. Weil jeder Tragende anders gebaut ist, und auch die Babys Vorlieben haben, muss jeder die geeignete Bindeweise, bzw. Tragehilfe für sich finden. Wer sich nicht einzeln durch alle durchtesten möchte, der sucht sich am Besten eine Trageberatung, hier gibt’s Anleitung, Testmöglichkeiten und viele wertvolle Infos.
Bei der Auswahl der geeigneten Trageweise gibt’s aber in jedem Fall ein paar Dinge zu beachten:
- Das Kind sitzt mit dem Gesicht zum Körper des Tragenden, die Beine nehmen die Anhock-Spreiz-Haltung ein und die Wirbelsäule ist entsprechend der individuellen Entwicklung gerundet.
- Das Tragetuch / die Tragehilfe stützt das Baby in der aufrechten Position, der Steg reicht von Kniekehle zu Kniekehle.
- Die Atemwege sind frei und werden nicht verdeckt.
Je flexibler die Trage ist – sowohl, was das verwendete Material, als auch die Einstellmöglichkeiten angeht, desto besser. Bei Tragetüchern ist das hinfällig, sie passen sich in jedem Fall optimal an.
Ich hoffe, ich konnte das Fragezeichen rund um das Thema Tragen ein wenig lösen. Gerne möchte ich zum Schluss noch etwas loswerden, was mir persönlich sehr wichtig ist: Babys profitieren in jedem Fall vom Tragen und dem Körperkontakt. Das gilt für die Babys, die ausschließlich getragen werden ebenso, wie für diejenigen, die nur ab und zu getragen werden und sonst entspannt im Kinderwagen schlummern. Es geht nicht um entweder – oder, nicht um schwarz – weiß, sondern um glückliche Babys und ebenso glückliche Eltern. Ein Patentrezept gibt es nicht, nur gute Zutaten (Liebe!), mit dem jeder seinen eigenen, leckeren Kuchen backen kann!
Sollten noch Fragen offen sein, freue ich mich auf Eure Nachrichten!
Dieser Blogartikel wurde verfasst von:
Herzimucerl
Donna von Hösslin
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